Textiltechnik: Fertigung von Bekleidung

Textiltechnik: Fertigung von Bekleidung
Textiltechnik: Fertigung von Bekleidung
 
Das Bekleidungsgewerbe ist ein eigener Wirtschaftszweig, der die handwerkliche Herstellung von Bekleidung sowie die industrielle Bekleidungsproduktion (Konfektion) umfasst. Am Anfang der Bekleidungsherstellung steht das Design, die Form- und Schnittgestaltung eines Kleidungsstücks. Die Haute Couture fertigt in traditioneller Weise eine Modellzeichnung an oder modelliert an einer Schneiderpuppe. Auch die Maßkonfektion arbeitet in handwerklicher Fertigung mit traditionellen Methoden, wie Maßband, Schere, Nähnadel oder Nähmaschine. Sie fertigt für einen bestimmten Kunden, nach seinen Maßen und individuellen Wünschen ein Einzelstück an. Die Maßschneiderei kann auf Figur, Alter und Typ eines Menschen individuell eingehen.
 
Bei der Konfektion, der serienmäßigen Herstellung von Kleidungsstücken, orientiert man sich an durchschnittlichen Maßen (Einheitsgrößen) und Wünschen bestimmter Zielgruppen. Außergewöhnliche Figurabweichungen konnten bisher nicht berücksichtigt werden. Inzwischen liefert die moderne Technik Lösungen unter der Bezeichnung industrielle Maßkonfektion. So wurden im Internationalen Textilforschungszentrum (Hohensteiner Institute in Bönnigheim) Frauen und Mädchen mit einem 3-D-Bodyscanner vermessen. Mit 16 Kameras werden in 5 Minuten berührungslos die Körpermaße ermittelt. Die Messungen sollen dazu beitragen, dass in Zukunft die Passform, das Design und die Funktion von Miederwaren den Bedürfnissen der Trägerinnen besser gerecht werden. Bei den bisher an 1400 Frauen durchgeführten Messungen ergab sich, dass etwa die Hälfte aller Büstenhalter nicht richtig sitzt und für 20 Prozent der Frauen gar keine passende industriell gefertigte Form existiert.
 
 Entwurf und Zuschnitt
 
In der industriellen Bekleidungsproduktion erleichtert der Computer weitgehend die Arbeit bei der Schnittkonstruktion. Bei der Kollektionsentwicklung dienen alte Grundschnitte den neuen Modellen häufig als Vorlage. Die computergestützte Schnittkonstruktion (CAD, Computer-aided Design) erspart das zeitaufwendige Zeichnen der Grundschnitte, und Veränderungen der Schnitte sind rasch eingebracht. Auch das Gradieren, das schrittweise Ableiten größerer und kleinerer Konfektionsgrößen, läuft rechnergesteuert. Der entworfene Schnitt kann als Schablone für den manuellen Zuschnitt ausgegeben werden, der Zuschnitt kann aber auch nach Erstellung des Schnittbildes vollautomatisch erfolgen. Beim Schnittbild gilt es, die einzelnen Schnittteile so zu platzieren, dass so wenig Stoff wie möglich gebraucht wird. Ebenso muss die Musterung und der Richtungsverlauf des Stoffes beim Zuschneiden berücksichtigt werden. Vor dem Zuschnitt legt man den Stoff als Einzel- oder Mehrfachlage von Hand, mit dem Legewagen oder per Legeautomat auf den Legetisch. Mithilfe der Schnittschablone wird das Schnittbild direkt auf die oberste Stofflage oder auf spezielles Papier übertragen. Das Ausschneiden erfolgt mit von Hand geführten Schneidegeräten oder mit einer Stanzmaschine oder Zuschneideautomat. Das Aufbringen des Schnittbildes entfällt bei computergesteuerten Zuschneideverfahren.
 
 
In der Näherei werden die vom Zuschnitt kommenden Einzelteile eines Modells nach den Vorgaben im Arbeitsablaufplan zum fertigen Produkt verarbeitet. Beim Verbinden der einzelnen Schnittteile gibt es verschiedene Arten von Verbindungsnähten, Versäuberungskanten und Stichtypen. Entscheidend ist der Gebrauchswert eines Kleidungsstücks. Die Nähte stark beanspruchter Arbeitskleidung müssen besonders stabil verarbeitet sein.
 
Auch beim Nähen gibt es eine ähnliche technische Variationsbreite: von der klassischen Nähmaschine über schablonengesteuerte Nähanlagen bis hin zu CNC-gesteuerten Nähanlagen (computerized numerical control = computergestützte numerische Steuerung) oder Robotern, die viele Arbeitsschritte des Menschen ersetzen.
 
Industrienähmaschinen haben hohe Geschwindigkeiten, je nach Maschinen- beziehungsweise Stichtyp bis zu 6 000 Stiche in der Minute. In Handwerks- und Industriebetrieben bedienen Fachkräfte die Maschinen manuell. Manche automatischen Zusatzfunktionen wie Kantenerkennung oder Fadenabschneider können an Maschinen mit manueller Materialführung integriert werden. Ein weiterer Grad der Automatisierung ist die Nähgutsteuerung: Die Stoffteile werden manuell eingelegt und der Automat führt den gesamten Nähprozess selbsttätig aus. Textilien, wie beispielsweise Herrenhemden und Wäsche, die in großen Stückzahlen hergestellt werden und nur geringen modischen Veränderungen unterliegen, werden mittels Nähautomat hergestellt. Die Umrüstung der Automaten ist aufwendig und lohnt sich nicht für modische Produkte.
 
 
Auch für das nachfolgende Bügeln existieren altbewährte Geräte wie das Bügeleisen, Ärmelbrett und Kragenholz neben High-techgeräten wie dem Form- und Tunnelfinisher. Material und Verarbeitung erfordern unterschiedliche Bügeltemperaturen und -techniken. So wird etwa Samt nur von links, das heißt von der Innenseite her, auf einer Nadelspitzendecke gedämpft. Während der Produktion werden Halbfertigteile zwischengebügelt. Das Finishbügeln (Endbügeln) erfolgt nach Abschluss der Näharbeiten. Darüber hinaus werden hand- und programmgesteuerte Bügelpressen genutzt. Flachpressen sind für viele unterschiedliche Bügelarbeiten einsetzbar, während Formpressen auf bestimmte Kleidungsstücke ausgerichtet sind. In einem Tunnelfinisher wird das auf eine Form gezogene Kleidungsstück erst mit Dampf und dann mit Heißluft behandelt.
 
 Haute Couture und Prêt-à-porter
 
Haute Couture bedeutet hohe Schneiderkunst und bezeichnete eine Gruppe Pariser Modeschöpfer, die ab etwa 1900 exklusive Modelle für eine auserwählte Schicht (Prestigemode) schufen und noch bis in die 1950er-Jahre die Damenmode der ganzen Welt inspirierten. Neben Paris entstanden weitere Modezentren, vor allem Mailand (Alta Moda) trat in Konkurrenz zur französischen Damenmode und englischen Herrenmode. In den 1960er-Jahren setzte sich ein etwas unkonventionellerer Stil durch, mit dem weniger der Status als die Individualität ausgedrückt werden sollte. Die Modeschöpfer des Prêt-à-porter (Konfektionsmode) beeinflussen mit ihren Modeschauen die modische Entwicklung heute stärker als die Haute Couture.
 
Die Entwicklung der Kollektion beginnt etwa zwei Jahre vor der eigentlichen Saison mit Farbkarten, die den Bekleidungsherstellern und dem Handel erste Informationen über die geplante Saison geben. Auf den folgenden Stoffmessen werden in Modeschauen Stoffe, Farben und Trends gezeigt. Diese Entwicklungen fasst das Deutsche Mode-Institut zusammen. Stoffhersteller, Drucker und Stoffmusterentwickler (Dessinateure) entwickeln daraus konkrete Dessins und Modethemen. Ein halbes Jahr vor der Saison präsentieren die Mode-Institute und Ateliers der Faserproduzenten auf der »Interstoff« die endgültigen Modelle. Parallel dazu entwerfen die großen Modeschöpfer die Haute-Couture- und die Prêt-à-porter-Mode, die von Designern, dem Handel und der Industrie aufgegriffen werden. Diese Mode bietet wichtige Orientierungspunkte für Modehäuser und Konfektionsbetriebe, die Bekleidung für die verschiedenen Verbrauchergruppen herstellen und vertreiben.
 
Dr. Cornelia Voss
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Textilindustrie: Produktion in aller Welt
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Textilveredlung: Veränderung von Fasern
 
 
Adebahr-Dörel, Lisa u. a.: Kleine Textilkunde. Hamburg 151997.
 Adebahr-Dörel, Lisa / Völker, Ursula: Von der Faser zum Stoff. Textile Werkstoff- und Warenkunde. Hamburg 311994.
 Döring, Friedrich-Wilhelm: Vom Konfektionsgewerbe zur Bekleidungsindustrie. Zur Geschichte von Technisierung und Organisierung der Massenproduktion von Bekleidung. Frankfurt am Main u. a. 1992.
 
Fachwissen Bekleidung, Beiträge von Hannelore Eberle u. a. Haan 51998.
 Heudorf, Claus: Warenverkaufskunde für den Textilhandel. Rinteln 51994.
 Schierbaum, Wilfried: Bekleidungs-Lexikon. Berlin 31993.
 Seiler-Baldinger, Annemarie: Systematik der textilen Techniken. Neuausgabe Basel 1991.

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Textilindustrie — Tex|til|in|dus|trie auch: Tex|til|in|dust|rie 〈f. 19〉 Gesamtheit der Unternehmen, die Textilien herstellen u. verarbeiten; Sy Textilhandel (2) * * * Tex|til|in|dus|t|rie, die: Industriezweig, der Waren aus Textilien herstellt. * * *… …   Universal-Lexikon

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  • Liste von Printmedien der DDR — 1981 erschienen in der DDR 1770 verschiedene Zeitungen, Zeitschriften, Journale und Magazine in einer Gesamtauflage von rund 40 Millionen, davon etwa 500 Fachzeitschriften (1982: 519) mit ungefähr 20 Millionen Exemplaren. Nach der… …   Deutsch Wikipedia

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  • Konfektion — Kon|fek|ti|on [kɔnfɛk ts̮i̯o:n], die; : a) in serienmäßiger Anfertigung hergestellte Kleidung: nur Konfektion tragen. b) Kleidung serienmäßig anfertigende Industrie: in der Konfektion tätig sein. Zus.: Damenkonfektion, Herrenkonfektion. * * *… …   Universal-Lexikon

  • Appretur — (von frz. apprèt „Ausrüstung, Zurichtung“) bezeichnet die veredelnde Behandlung von Stoffen und Textilien, aber auch Garnen und Fasern sowie Papier und Leder, um ihnen ein besonderes Aussehen und/oder bestimmte Eigenschaften zu geben. Dazu… …   Deutsch Wikipedia

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